Werktexte

Für wen schreibe ich eigentlich Programmheft-Texte? Kaum wohl für Fachleute, die wie ich Musikwissenschaft studiert haben und denen meine Ausführungen maximal kleine Ergänzungen ihres bereits fundierten Wissens liefern. Auch diese Leser aber sollen sich nicht langweilen! Meine Texte bieten interessante Informationen über und rund um das jeweilige Werk, aber keine detaillierten Analysen. Denn vor allem wende ich mich an die große Mehrheit der Konzertbesucher, die sich kurz vor Konzertbeginn noch schnell in das Werk „einlesen“ und einen unkomplizierten Zugang gewinnen wollen.

Mit welcher Art von Musik habe ich es zu tun? Worauf lohnt es sich, beim Hören besonders achten? Was macht dieses Werk neu, ungewöhnlich oder gar einzigartig? Kurze Zitate von oder über Komponisten, mit denen ich meine Texte „würze“, machen zusätzlich neugierig auf das Werk. Mal poetisch inspirierend, mal provokant, schüren sie die Lust, selbst einen Höreindruck zu gewinnen.

Manche Konzertbesucher lesen das Programmheft lieber in Ruhe zu Hause. Sie erweitern so mit jedem Konzert ihren musikalischen und historischen Horizont, bauen auf zuvor Gehörtem und Gelesenem auf. Auch ihnen möchte ich „Futter“ und Inspiration liefern. Und auch ihnen ist mit analytischen Details wenig gedient.

Das Schreiben eines Textes über Musik ist eine Gratwanderung zwischen unterschiedlichen Leserinteressen, denen ich gerecht werden will. Zugleich

möchte ich natürlich dem Anspruch des Werkes selbst, seines Komponisten und auch der Interpreten entsprechen. Der Austausch mit den Musikern gibt gelegentlich auch meinen Texten eine spezifische Richtung und eine persönliche Farbe.

Ich selbst nähere mich jedem Werk, über das ich schreibe, und jedem Interpreten, dem ich real oder fiktional begegne, voll Neugier und Lust auf neue Erfahrungen. Das soll auch der Leser meiner Texte spüren!

Sollten Sie Interesse haben, einen der hier stehenden Beispieltexte an anderer Stelle abzudrucken, setzen Sie sich bitte zur Abklärung der Rechte mit mir in Verbindung. Gerne verfasse ich weitere Texte in Ihrem Auftrag.

KONZERT FÜR KLAVIER UND ORCHESTER C-MOLL OP. 35
Dmitri Schostakowitsch (1906-1975)

Programmtext für ein
Sinfoniekonzert der Mecklenburgischen Staatskapelle Schwerin

DAS LIED VON DER ERDE
Gustav Mahler (1860-1911)

Programmtext für ein
Konzert der Staatskapelle Weimar

Dimitri SchostakowitschDas 1. Klavierkonzert ist Schostakowitschs erstes konzertantes Werk – und es ist alles andere als eines von vielen. Die 1920er und frühen 30er Jahre waren eine Zeit bemerkenswerter Produktivität gewesen. Schostakowitsch probierte aus, auch – und mit Vorliebe – stilistische Extreme.
Effektvolles Gestalten hatte er nicht zuletzt in seinem Studentenjob als Stummfilmpianist gelernt; jetzt entstand eine Fülle eigener Film- und Theatermusiken, die allesamt von schrägem Humor durchzogen sind – Musik von hohem Unterhaltungswert, auf den er auch in „ernsten“ Gattungen nicht verzichten wollte […]

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Gustav MahlerGuido Adler nannte das Werk „eine Sinfonie im Innern“. Alma Mahler berichtet, dass Gustav nach Vollendung der Achten die abergläubische Furcht ergriffen habe, seine Neunte müsse zwangsläufig, wie bei Beethoven, wie bei Bruckner, die letzte vollendete Sinfonie werden. Dass dies später tatsächlich eintraf, mag als Anekdote am Rande stehen. Jetzt aber zunächst „Das Lied von der Erde“ – keine Sinfonie also, aus welchem Grund auch immer, sondern ein „Lied“, dabei äußerlich doch eigentlich eher ein Zyklus von Orchesterliedern und laut Untertitel eben doch wieder eine „Sinfonie“, nämlich eine „für eine Tenor- und eine Alt- (oder […]

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KONZERT DES GÜRZENICH-ORCHESTERS KÖLN
Ravel / Mozart / Messiaen / Ravel

in der Saison 2014/2015
Vorschautexte

SINFONIE NR. 7 A-DUR OP. 92
Ludwig van Beethoven (1770-1827)

Kurzeinführung

RavelDer große Alfred Brendel hat ihn gelehrt, „die Details der Dinge“ zu lieben. Das sagt Francesco Piemontesi, der seine makellose Technik stets in den Dienst ganz individueller, persönlich gefärbter Interpretationen stellt. Ein „Poet am Klavier“, schwärmt Classical Source. Mit einer enormen Breite an Klang- und Anschlagskultur wartet Piemontesi bei seinem Gürzenich-Debüt auf: mit Mozart, für dessen Musik er ein besonderes Faible besitzt, und mit Messiaens farbenschillernder Vogelstimmen-Vertonung Oiseaux exotiques. Ein Versuch des Komponisten, zwischen der verwirrenden Vielfalt musikalischer Stile und Schulen der Moderne Halt in den Lauten der unendlichen Natur […]

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beethoven_kleinLiebes Publikum, es macht das Gerücht die Runde, Beethovens Musik sei ernst, streng und gewichtig. So eine Verallgemeinerung ist natürlich Unsinn: Kein Mensch ist nur ernst oder nur heiter – nicht einmal Beethoven. Und deshalb auch nicht seine Musik. Beethoven hatte sogar eine Menge Humor, wenn der auch etwas schrullig war. Vor allem hatte er seinen Spaß daran, die Hörgewohnheiten des Publikums an der Nase herumzuführen und die Musik genau das tun zu lassen, was die Leute nicht erwarteten – und das mit großem Effekt.
Was seine Sinfonien betrifft: Etwa die Hälfte davon ist tatsächlich ernst, fast schon dramatisch angelegt – aber mindestens vier könnte man als „überwiegend heiter“, als leichtgewichtig bezeichnen […]

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MATTHÄUSPASSION
Johann Sebastian Bach (1685-1750)

Programmtext für ein Konzert des
Thüringischen Kammerorchesters Weimar

PROGRAMMTEXT FÜR EIN KONZERT
DES ORGANISTEN CAMERON CARPENTER

Schleswig-Holstein Musik Festival
22.7.2014, Kieler Schloss

bach_kleinDass eine Dame aus dem Publikum die Leipziger Uraufführung der Matthäuspassion mit den Worten kommentiert haben soll, das sei ja eine Opéra-Comédie, kann heute eigentlich nur Kopfschütteln hervorrufen. Allerdings: Vielleicht meinte sie ja mit ihrer Äußerung, dass Bachs Vertonung der Bibeltexte aus dem Matthäus-Evangelium sie so intensiv und emotional in die Geschichte hineingezogen habe, wie es sonst nur den seinerzeit gängigen unterhaltenden Musiktheater-Werken gelang – keineswegs aber der Kirchenmusik. Das unmittelbare Miterleben der Handlung jedenfalls, schon im Eingangschor mit den Rufen „Kommt! Kommt!“ suggeriert, sucht in der Matthäuspassion in der Tat seinesgleichen.

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Er gilt als der „gefallene Engel, der seiner Orgel die Sünde zurückgibt“ (DIE ZEIT). Cameron Carpenter ist ein Getriebener, der der Orgel verfallen ist, seit er sie im Alter von vier Jahren erstmals bediente. Einen Ritt auf dem Instrument nennen manche sein Spiel, als Tanz versteht er es selbst: ein bis in jede Faser choreographiertes Gesamterlebnis auf diversen Ebenen. Und das an einem derart traditionsreichen Instrument? Carpenter stellt die Rolle der Orgel radikal in Frage. Als Repertoire ist ihm zwischen Bach und Mahler, zwischen Kate Bush und Jazzimprovisationen nichts fremd. Im Gegenteil – er mischt beziehungsreich, nicht selten auch spontan und nach individuellem Gusto. Auf Gedrucktes sollte also nicht allzu viel Gewicht gelegt werden.
Mit dem Instrument haben es Organisten schwerer als andere Musiker. […]

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